Zeitschriften und (Fan)-Zines

Zeitschriften und (Fan-)Zines bilden den umfangreichsten Bestand des Archivs der Jugendkulturen. Mit rund 6.000 Titeln und circa 55.000 Einzelheften stellt er das Herzstück des Vereins dar. Das Spektrum reicht von regulären Kioskzeitschriften über Special-Interest-Magazine und Indiemags bis hin zu Alternativzeitschriften und (Fan-)Zines. So bildet unsere Sammlung einen Großteil der Heftpublikationen ab, die es zu jugend-, pop- und subkulturellen Themen gibt: egal, ob kommerzielle Massenprodukte oder in Kleinstauflagen selbstproduzierte Untergrundhefte. Insbesondere im Hinblick auf (Fan-)Zines ist unsere Sammlung einzigartig. Keine andere Einrichtung in Deutschland sammelt diese in einem solchen Umfang und mit einer derartigen thematischen Breite. Zudem besitzen wir eine Sammlung an Schüler*innenzeitungen, die allerdings zurzeit eingelagert und nicht nutzbar ist.

Zu den ältesten Zeitschriften in unserer Sammlung gehören Jugendmagazine ab den 1950er Jahren. Der bekannteste Titel ist die kommerzielle Kioskzeitschrift BRAVO aus Westdeutschland, von der wir weit mehr als 3.000 Einzelhefte aus der Zeit von 1956 bis heute besitzen. Andere Beispiele sind die von der DDR-Jugendorganisation FDJ herausgegebene Zeitschrift neues leben, die ambitionierte „Zeitschrift für junge Erwachsene“ Twen und Jugendzeitschriften mit pädagogischem Hintergrund wie Blickpunkt vom Berliner Kinder- und Jugendring. So unterschiedlich diese auch sein mögen–alle enthalten Inhalte zu pop- und jugendkulturellen Themen und haben zur Verbreitung von Popkultur in Deutschland beigetragen.

Die 1950er Jahre markieren auch den Beginn der Fanzine-Produktion in Deutschland. Im Science-Fiction-Fandom sind Fanzines –d.h. von Fans selbstproduzierte und -verlegte Magazine– schon zu dieser Zeit ein wichtiges Kommunikationsmittel. In unserem Magazin archivieren wir rund 4.000 Sci-Fi- und Fantasy-Fanzines ab den 1950er Jahren, darunter eine große Anzahl an Fanclubzeitschriften wie etwa Andromeda vom 1955 gegründeten Science Fiction Club Deutschland. Neben diesen Heften, in denen nicht nur Berichte über einschlägige Conventions enthalten sind, sondern auch Fehden zwischen verschiedenen Clubs ausgetragen werden, bewahren wir auch sogenannte PBM-Zines, in denen es um per Post gespielte Rollenspiele („play by mail“) geht. Fanzines dienen in diesen Szenen vor allem dem Austausch unter den Fans und haben so immer auch einen gemeinschaftsbildenden Charakter.

Auch Musik ist ein popkultureller Bereich, in dem das Fan-Sein eine zentrale Rolle spielt. So erscheinen ab Mitte der 1960er Jahre in den USA und in Großbritannien zunehmend Fanzines über Rockmusik. In Folge des immer populärer werdenden Rock wird aber auch der Markt für professionell gemachte Musikzeitschriften größer. In unserer Sammlung sind aus dieser Zeit –ab Ende der 1960er Jahre– eine große Auswahl an Musikzeitschriften zu finden. Wir besitzen vor allem britische Titel wie New Musical Express und Melody Maker, aber auch den amerikanischen Rolling Stone. Vergleichbare deutsche Magazine wie Musikexpress oder Sounds bewahren wir ebenfalls auf. Insgesamt besitzen wir einige zehntausend professionelle Musikzeitschriften aus den letzten 50 Jahren. Daneben sammeln wir außerdem Kioskzeitschriften, die etwas allgemeiner mit Popkultur und Lifestyle befasst sind wie Andy Warhol’s Interview oder Tempo.

Unser größter Einzelbestand an Fanzines stammt aus der Punk- und Hardcoreszene. Ab Ende der 1970er Jahre werden Fanzines hier als Untergrundmedium zu einem weit verbreiteten Kommunikationsmittel –teilweise als expliziter Gegenentwurf zu den mittlerweile weit verbreiteten Musikzeitschriften. So wird in dieser Szene eine bis dahin nicht dagewesene Menge an Fanzines produziert. Wir haben in unserer Sammlung etwa 8.000 dieser Hefte aus aller Welt. Die Spannbreite reicht von „ordentlichen“ Musikfanzines mit Interviews und Rezensionen wie etwa Ox und Plastic Bomb, die heute Kioskzeitschriften sind, bis hin zu radikal subjektiven Egozines oder dadaistischen Kollagen. Fanzines werden insbesondere im Punk zu einem äußerst anarchischen Medium, das jenseits von Konventionen mit unterschiedlichsten Formaten und Materialien experimentiert.

Aber auch in anderen Szenen entstehen ab dieser Zeit mehr Fanzines als zuvor: So finden sich in unserer Sammlung ebenfalls größere Bestände aus dem (Indie-)Rock, Metal, Gothic, aus der Skinheadszene oder auch aus weniger musikzentrierten Bereichen wie etwa Graffiti oder Fußball. Sie sind wichtige Zeugnisse historischer Szene-Entwicklungen und dokumentieren sowohl die vielfältigen lokalen Ausprägungen der Szenen als auch ihre globale Verbreitung und Vernetzung.

Die Art der Medien, die in Szenen verbreitet sind, können sich stark voneinander unterscheiden: Im Metal werden beispielsweise bis heute neben Fanzines mehrere auflagenstarke Kioskzeitschriften wie Rock Hard oder Metal Hammer publiziert. In anderen Szenen wie Hip-Hop oder Techno ist der Zeitschriftenmarkt dagegen weitgehend eingebrochen. Hier gibt es außerdem deutlich weniger klassische Fanzines als in anderen Szenen. Die meisten Titel aus der Hochphase der Technopublikationen in den 1990er Jahren sind stattdessen kostenlose, werbefinanzierte Titel wie Frontpage oder Raveline. Auch eine neue Medienart entsteht: kleinformatige Programmhefte (DIN A6) wie Flyer oder Partysan, die hauptsächlich gesammelte Veranstaltungshinweise enthalten. Etwa 2.000 dieser kleinen Hefte haben wir archiviert.

Jugend- und Subkulturen sind nicht allein popkulturelle Phänomene, sondern überschneiden sich vielfach mit politischen und sozialen Bewegungen. Daher gehören auch Heftpublikationen aus diesen Kontexten zu unserem Bestand. Zeitschriften und Untergrundpublikationen aus unterschiedlichen linken bis linksradikalen Zusammenhängen wie z.B. Autonome oder Antifa bilden dabei den Schwerpunkt. Außerdem sammeln wir Alternativmedien wie etwa die in den 1970er Jahren entstandenen alternativen Stadtzeitungen. Wichtig ist hier darauf hinzuweisen, dass eine Trennlinie zwischen popkulturellen und politischen Publikationen oft nur schwer zu ziehen ist, da auch in vielen klassischen Fanzines oftmals politische Themen verhandelt werden.

Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Sammlung an Fanzines aus der Riot-Grrrl-Bewegung–oder auch einfach nur „Zines“, da hier das popkulturelle Fandom weniger bis gar nicht im Zentrum steht. In diesen Heften setzen sich die Zine-Macher*innen mit sexistischen Strukturen sowohl in Punkszenen als auch in der Gesellschaft insgesamt auseinander. Auch aktuellere Hefte aus feministischen und queeren Kontexten sammeln wir aktiv. In diesem Bereich entstehen aktuell die wohl meisten Zines. Sie verhandeln Themen wie feministische Selbstverteidigung oder queeres Empowerment. Zines sind hier politisches Medium und dienen außerdem als Schutzraum. Im Zeitalter der Hasskommentare nutzen Menschen gezielt DIY-Printmedien, um sich mitteilen und ausdrücken zu können, ohne sich damit der Gefahr von Online-Übergriffen auszusetzen.

Unser Zeitschriften- und (Fan-)Zine-Bestand wächst zum einen durch Spenden kontinuierlich. Zum anderen handelt es sich um einen der Bereiche, in denen wir aktiv ankaufen, so etwa im Rahmen des Projekts Pop- und Subkulturarchiv International. Da im Zine-Bestand–genau wie in Bibliothek und Sammlung generell– weiße, cis-männliche und heteronormative Perspektiven über alle Genres hinweg dominieren, versuchen wir durch gezielte Ankäufe zum Beispiel auch queere oder dekoloniale Perspektiven auf Pop- und Subkultur sichtbarer zu machen.