Über uns

Archiv

Illustration by Tine Fetz

Ob Technoclubs oder Opernhäuser, staatliche Museen oder alternative Kulturzentren, die kulturelle Landschaft der Stadt Berlin ist groß und vielfältig. Ein Grund hierfür ist die besondere Geschichte der Stadt, die Berlin auch für subkulturelle Szenen attraktiv gemacht hat. Sowohl während der Teilung Berlins als auch in der Zeit nach dem Fall der Mauer war Berlin ein Reservat für Kultur jenseits des Mainstreams und der sogenannten Hochkultur. Punk und New Wave auf der „Insel Westberlin“ der 1980er Jahre, der DDR-Untergrund im Prenzlauer Berg, die nach dem Mauerfall aufblühende Berliner Technoszene und Clubkultur oder die in Berlin besonders aktive Graffiti- und Street-Art-Szene sind hier nur einige der bekannteren Beispiele. Sie haben der Stadt ein kulturelles Erbe vermacht, von dem Berlin bis heute zehrt. Dieses Erbe trägt dazu bei, dass die Stadt weiterhin Kulturschaffende aus dem In- und Ausland anzieht und immer noch ein Zentrum verschiedener subkultureller Strömungen ist.

Der stetige Wandel der Stadt lässt zwar immer wieder Neues entstehen, es verschwindet aber auch das Alte. Freiräume und Nischen, die für die Existenz und Entwicklung subkultureller Szenen wichtig sind, gibt es heute immer weniger. Um zu verhindern, dass die vielfältigen Zeugnisse und Spuren dieser Szenen verschwinden und in Vergessenheit geraten, braucht es einen Ort, an dem sie bewahrt werden können – ein Archiv für die Subkulturen Berlins. Mit dem von der LOTTO-Stiftung Berlin geförderten Projekt Berliner Pop- und Subkulturarchiv hat das Archiv der Jugendkulturen e. V. (AdJ) einen solchen Ort geschaffen. Dieses „Archiv im Archiv“ legt seinen Fokus auf die Bereiche der Sammlung des AdJ, in denen Quellen aus und über die subkulturellen Szenen Berlins enthalten sind. Im Rahmen des Projektes blicken wir dabei auf diese auch als Jugendkulturen bezeichneten Strömungen – z. B. Punk, Techno, Hip Hop oder Graffiti – aus einer Perspektive, in der nicht Jugend und Jugendlichkeit zentral sind. Denn nicht alles, was solche Szenen ausmacht, lässt sich auf die Jugendlichkeit der Akteur*innen zurückführen, und viele der in solchen Szenen aktiven Menschen sind keine Jugendlichen (mehr). Der Bestand des AdJ enthält viele Quellen, etwa Fanzines oder Zeitschriften, die weder von Jugendlichen, noch (ausschließlich) für Jugendliche produziert werden.

Deshalb nutzen wir im Rahmen des Projektes statt Jugendkultur die Begriffe Popkultur und Subkultur. Sie dienen uns in folgender Weise als Arbeitsbegriffe: Popkultur meint den kulturellen Mainstream und die populären Ausprägungen einzelner Szenen, gleichzeitig aber auch den feuilletonistischen und akademischen Popkulturdiskurs. Subkultur bezeichnet dagegen Kultur abseits des Mainstreams und kann als Verweis auf unabhängige Strukturen, alternative Wege der kulturellen Produktion und widerständige Praktiken verstanden werden. Fast alle Szenen bewegen sich im Spannungsfeld von „Pop“ und „Sub“, einem Spannungsfeld, das noch um weitere Dimensionen wie Avantgarde, Kunst, Mode oder der sogenannten Hochkultur ergänzt werden kann. Die Szenen sind vielfältig und widersprüchlich, sie sind keine geschlossenen, klar definierbaren Gebilde, sondern Bündel von Subszenen, die sich in ästhetischer, politischer oder sozialer Hinsicht voneinander unterscheiden können: Es gibt kommerziellen, eher unpolitischen Techno und linksradikalen, antikapitalistischen Techno. Es gibt Punk, der sich als radikale Untergrundmusik versteht genauso wie Punk, der sich als Kunstform mit Anknüpfungspunkten an die Hochkultur positioniert.

Mit dieser Webseite wollen wir einen Einblick in die Welt der Berliner Pop- und Subkultur bieten. Sie ist als Orientierungshilfe für Nutzer*innen des Archivs gedacht und enthält Hintergründe zur Geschichte der einzelnen Szenen sowie Informationen zu den im AdJ gesammelten Materialien. Unser Anspruch ist es nicht, einen vollständigen Überblick über alle in Berlin aktiven Szenen zu bieten, sondern wir konzentrieren uns auf eine im Rahmen des Projektes relevante Auswahl. Der Schwerpunkt liegt auf Szenen, die für die kulturelle Landschaft Berlins prägend waren oder sind. Besonders ausführlich werden Punk, Techno und Graffiti / Street Art behandelt, da diese Szenen in Berlin bis heute außergewöhnlich produktiv und vielfältig sind und das AdJ zu ihnen jeweils umfangreiche und einzigartige Bestände an Fanzines, Zeitschriften, Flyern und anderen interessanten Materialien besitzt. Ein weiteres Thema ist die große und heterogene Hip-Hop-Szene Berlins, zu der es nur einen vergleichsweise kleinen, aber nicht weniger spannenden Bestand in unserer Sammlung gibt. Durch die Übernahme des ehemaligen Berliner Rock- und Poparchivs beherbergt das AdJ außerdem eine große Sammlung zur Berliner Skiffle-, Beat- und Rockmusik- Szene ab Ende der 1950er Jahre. Ein weiterer Text beschäftigt sich mit der Berliner Hausbesetzer*innen-Szene, da diese immer wieder großen Einfluss auf andere subkulturelle Entwicklungen hatte und das AdJ auch hierzu aufschlussreiche Materialien besitzt. Als letztes werden Zines und Zinefeste vorgestellt – hier geht es um eine eher kleine, produktive Szene von Zinemacher*innen, häufig aus queeren Kontexten, deren Erzeugnisse im AdJ gesammelt werden.

Die vom Archiv der Jugendkulturen bewahrten Quellen zur Berliner Pop- und Subkultur, aber auch zu jugend-, pop- und subkulturellen Phänomenen und Entwicklungen im Allgemeinen, sind öffentlich zugänglich und nutzbar. Unsere Fachbibliothek und die einzigartigen Sammlungen dienen Studierenden, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und weiteren Interessierten aus dem In- und Ausland zur Recherche. Außerdem verleihen wir Materialien für die Präsentation in Ausstellungen. Um die Recherche in den rund 40.000 Fanzines und Zeitschriften, dem Bestand unserer Bibliothek und den anderen im AdJ gesammelten Quellen zu erleichtern gibt es nun eine Datenbank. Sie enthält nicht nur Bestandsnachweise, sondern die erfassten Materialien sind zum Teil auch inhaltlich erschlossen. So ist es möglich, gezielt nach Material zu einzelnen Künstler*innen, Bands, Clubs oder szenetypischen Themen zu suchen. Unsere Datenbank wird fortlaufend um neue und ältere, bisher unerschlossene Materialien aus dem Archiv ergänzt. Außerdem sind wir stets daran interessiert, weitere Sammlungen und Einzelstücke in unser Archiv aufzunehmen, um den Bestand zu erweitern, Lücken zu füllen und die Quellen für die Nachwelt zu bewahren. Wir freuen uns über Ihr Interesse und Ihren Besuch.