Hip Hop

Illustration by Tine Fetz

Mit der ersten Hip-Hop-Welle zu Beginn der 1980er Jahre erreicht diese Subkultur auch Deutschland. Filme wie Wild Style (1983), Style Wars (1983) und Beat Street (1984) machen Hip Hop – damals noch als aus den Elementen Rap, DJing, Graffiti und Breakdance bestehend definiert – populär. Die Filme sind nicht nur in Westdeutschland zu sehen, Beat Street läuft auch in den ostdeutschen Kinos. Im Westen, vor allem in Süddeutschland und West-Berlin, tragen außerdem die dort stationierten US-amerikanischen Soldaten zur Verbreitung von Hip Hop bei und die Musik wird in GI-Diskotheken und -Radiostationen gespielt.

Ab Mitte der 1980er Jahre werden die ersten Hip-Hop-Jams in West-Berliner Jugendklubs wie der Naunynritze oder dem Kinder- und Jugendhaus Lichtenrade veranstaltet. Hierbei treten verschiedene Crews und Künstler*innen – nicht nur Rapper*innen, sondern beispielsweise auch Breakdancer*innen – gegeneinander an. Es entstehen deutschlandweite Netzwerke und im ganzen Bundesgebiet werden Jams veranstaltet. Die Berliner Crews nehmen in den 1980er Jahren hieran allerdings eher selten teil und fallen außerdem durch ihr meist aggressives Auftreten auf. Auch in der DDR ist Hip Hop bei Jugendlichen beliebt und findet in Ost-Berlin u. a. im Rahmen von offiziellen, von der FDJ organisierten Breakdance-Workshops und -Wettbewerben im Haus der jungen Talente statt.

Die ersten deutschen Hip-Hop-Formationen rappen auf Englisch, darunter beispielsweise die West-Berliner Gruppe Rock Da Mo$t, die 1989 die erste westdeutsche Hip-Hop-Platte veröffentlicht. Im gleichen Jahr erscheint in der DDR bei der staatlichen Plattenfirma AMIGA die erste ostdeutsche Hip-Hop-Platte der Ost-Berliner Formation Electric Beat Crew. Deutschsprachige Hip-Hop-Platten werden erst ab Anfang der 1990er Jahre veröffentlicht. In etwa zeitgleich existiert eine deutsch-türkische Hip-Hop-Szene, in der auf Türkisch und Deutsch gerappt wird. Die schon 1986 gegründete Berliner Gruppe Islamic Force aus dem Umfeld der Naunynritze gehört hier zu den ersten aktiven Crews. Die erfolgreichste Formation aus dieser Szene ist Mitte der 1990er Jahre das zum Teil aus Berliner Rappern bestehende Projekt Cartel. Auch in der Türkei wird Cartel rezipiert und ist dort sogar erfolgreicher als in Deutschland.

Nach der Wiedervereinigung wächst der Hip-Hop-Untergrund in ganz Deutschland, im Osten Berlins sind nun auch Crews wie die SWAT-Posse aktiv und Jams finden an Orten wie der Insel der Jugend oder dem Jugendzentrum ALL (all eins e. V.) statt. Es erscheinen erste Fanzines, in Berlin beispielsweise Mik’s X-S.I.D.E.-News (später MK Zwo), Enterprise, Storm oder das SWAT.-Inzine. In diesen Heften geht es häufig nicht nur um Musik, sondern auch um Graffiti und Breakdance. Im Vergleich zu anderen Szenen bleibt die Anzahl solcher Publikationen aber gering. Dementsprechend ist im AdJ ist nur eine Handvoll solcher Hefte vorhanden, den Großteil des Bestandes bilden Kioskzeitschriften wie Juice oder Backspin. Darüber hinaus besitzt das AdJ mehrere Sammlungen von Hip-Hop-Aufklebern. Aufkleber werden seit den 1990er Jahren in der Hip-Hop-Szene als Werbeträger für Plattenveröffentlichungen und Mixtapes eingesetzt und oft gezielt in der gesamten Innenstadt geklebt.

Im deutschen Mainstream spielt Hip Hop aus Berlin in den 1990er Jahren kaum eine Rolle, die erfolgreichsten Künstler*innen stammen in dieser Zeit aus westdeutschen Städten wie Stuttgart und Hamburg. In Berlin selbst gewinnt ab Mitte der 1990er der Battlerap aus dem Umfeld von M.O.R. und Westberlin Maskulin an Bedeutung. Dieser Rapstil zeichnet sich durch eine, im deutschen Rap zuvor unübliche, hohe Aggressivität und harte Wortwahl aus. 1997 eröffnet in Berlin der von Markus Staiger organisierte Royal Bunker, ein informeller Club für Freestyle- und Battlerap-Veranstaltungen. Auch wenn der Club nur rund ein Jahr lang existiert, gilt er als Keimzelle dessen, was ab 2001 mit der Gründung des Independent-Labels Aggro Berlin und Rappern wie Bushido, Sido oder Fler als Berliner Gangsta-Rap bekannt wird. Aufgrund der gewaltverherrlichenden und sexistischen Texte sorgt dieser Stil für große Aufregung, ist kommerziell erfolgreich und etabliert eine neue Härte im deutschen Hip Hop. Staiger selbst führt Royal Bunker bis 2007 als Plattenlabel weiter, dessen bekanntester Act K.I.Z. eine eher satirische Variante des Battleraps pflegt.

Berliner Hip Hop lässt sich nicht auf Battle- und Gangsta-Rap reduzieren, sondern zeichnet sich durch Vielfältigkeit aus. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die relativ bekannte Rapperin Sookee, die sich gegen Sexismus und Homofeindlichkeit im deutschen Rap engagiert. Sie ist Teil einer Szene sich politisch links verortender Rapper*innen, deren Musik auch unter dem Begriff Zeckenrap bekannt ist. Zeckenrap spielt zwar in der restlichen Hip-Hop-Szene kaum eine Rolle, ist aber beispielsweise in queeren und antifaschistischen Kontexten populär.